Natürlich fahre ich in London auch U-Bahn (siehe Foto). Da kommt man in der Riesenstadt kaum drum herum, denn auf gewissen Routen lohnt sich dort weder Taxi noch der Ritt auf Schusters Rappen. Mein Ziel: das Altitude Hotel auf der Millbank. Dort führt Electronic Arts Journalisten aus ganz Europa ihre neuen Spiele vor. EA Showcase nennt sich die Veranstaltung.
Neben den virtuellen Schlachtfeldern von Crysis 3, Medal of Honor Warfighter oder Battlefield 3 Close Quarters richte ich mein Augenmerk auf Fifa 13. Sogar mich als alten PES-Hasen beeindruckt das Fußballspiel.
Mit Aaron McHardy hat EA definitiv den richtigen Mann am Start, der vermutlich auch auf einem Fernsehkaufkanal alten Hausfrauen das Spiel schmackhaft machen könnte. Hardy ist ehemaliger Stürmer der U21-Nationalmannschaft von Jamaika, bekennender Arsenal-Anhänger und der für den Spielablauf zuständige Produzent von Fifa 13. Er zählt in einer stundenlangen Präsentation und später im Einzelgespräch derart viele Detailverbesserungen auf, dass ich sofort Lust bekomme, selbst loszuspielen. Stattdessen läuft die Download-Erweiterung UEFA EURO 2012. Immerhin. Und ich gewinne sogar sieben von acht Partien gegen die übrigen Journalisten. Ein Mordsspaß. Vielleicht sollte ich wirklich mal auf Fifa umsteigen.
• 4.4.2012 – Turrican lebt
Inzwischen sind die ersten Module für das Spielhallensystem MVS ausgeliefert. Gunlord heißt das neue Spiel der Entwickler NG:DEV.TEAM. Weil ich als Beta-Tester für ihr neues „Jump'n'Shoot“ fungiert habe, tauche ich unter dem Pseudonym „Large“ im Abspann auf (siehe Bild). Danke für die Blumen!
Das klingt anspruchsvoller, als es ist. Im Grunde habe ich nur Fehler und Eindrücke notiert, die mir in der Vorabversion aufgefallen sind, und an die Programmierer weitergegeben. Bei Gunlord handelt es sich um eine Hommage an den Heimcomputer-Klassiker Turrican. So fällt das Spielprinzip auch erfreulich ähnlich aus: Ballern, suchen, überleben. Auch die Musik von Rafael Dyll klingt ein wenig nach Chris Hülsbeck, was ich als Kompliment meine.
Für MVS und Neo Geo Heimkonsole sollten potenzielle Käufer einen Bankraub einplanen, kostet es doch Beträge im mittleren dreistelligen Bereich. Doch das Spiel erscheint voraussichtlich Mitte Juni auch für Dreamcast. Hier verlangen die Hersteller 32 Euro zuzüglich Versandkosten - das ist es definitiv wert.
• 30.3.2012 – Die Party-Hauptstadt von Rheinland-Pfalz
Ich habe schon einige Interviews geführt, so souverän wie Lucas hat nicht jeder Gesprächspartner geantwortet. Dabei ist Lukas noch ein Kind. Doch kein gewöhnliches Kind. Seine Mutter bezeichnet ihn als „allergrößten Fan von Mario“, und das könnte stimmen.
Lucas ist der Hauptgewinner des großen Nintendo-Gewinnspiels bei spieletipps. Er hat die Mario Party abgeräumt. Dafür kamen zwei Mitarbeiter von Nintendo zu ihm nach Hause und schmückten die Wohnung. Neben diversen Mario-Devotionalien, Pizza, einer roten Wii, Controllern, T-Shirts und allerlei Kleinkrams ließ sich auch Mario persönlich auf der Feier in Zweibrücken blicken.
Wer das Gespräch mit Lucas und Onkel "Darth Vader" Jo sehen will, findet das Video bei Youtube. Kameramann ist diesmal Sven Vössing. Nächstes Mal probiere ich mir unbekannte Mikros aus, bevor ich sie mir dicht vor irgendwelche Körperöffnungen halte, schnauf, röchel.
• 29.3.2012 – Auf dem Sofa mit Warren Spector
„Als ich in eurem Alter war, meinte man noch Monopoly oder Schach, wenn man über Spiele sprach“. Der Mann mit den grauen Haaransatz ist 56 Jahre, laut eigenen Angaben der „älteste Mensch, der noch selbst Videospiele entwickelt“. Nach wenigen Minuten verstehe ich, weshalb dieser Mann in der Spielindustrie eine Legende ist.
Warren Spector ist einer dieser Menschen, die andere Menschen begeistern können. Ich treffe ihn in einer Suite des Hotels Bayrischer Hof in München. Viele seiner eigenen Werke wie Wing Commander, Ultima Underworld, System Shock, Thief oder Deus Ex zählen zu den Klassikern. Als er auf seinem Sofa jedoch von der der Weite eines Star Raiders oder den Konsequenzen in Ultima 4 schwärmt, wirkt er jung.
Aktuell arbeitet er an Micky Epic 2, mit dem er sich einen Traum erfüllt: Ein Spiel, in dem die Charaktere wie in einem Disney-Musical singen. „Keine Angst, wer es nicht hören will, darf es wegdrücken“, beschwichtigt Spector. „Ich will niemand zu etwas zwingen.“ Spector weiß, dass sein Geschicklichkeitsspiel mit Micky polarisiert, schon der Vorgänger nicht jedem gefällt. Doch er selbst ist davon überzeugt. Und das macht ihn authentisch. Ein toller Mann.
• 22.3.2012 – Aller guten Dinge
Matthew Turner von Entwickler Ubisoft Montreal redet gerne und viel. Vermutlich eine Berufskrankheit, da er Dialogschreiber und Autor für Assassin's Creed 3 ist. Ein Spiel, auf das sich die meisten Computer- und Videospieler gerade mehr freuen als auf den nächsten Sommerurlaub.
Als ich Turner in Düsseldorf treffe, zeigt er erste Spielszenen seines kommenden Abenteuerspiels über seinen Laptop. „Das Hauptteam hat nach Assassin's Creed 2 direkt mit der Entwicklung des jetzt kommenden dritten Teils begonnen“, verrät er. Das erklärt die innere Logik der Namensgebung. Schließlich ignoriert die Ziffer 3 mal locker, dass zuvor bereits Assassin's Creed, Assassin's Creed - Altaïr's Chronicles, Assassin's Creed - Bloodlines, Assassin's Creed 2, Assassin's Creed - Discovery, Assassin's Creed - Project Legacy, Assassin's Creed - Brotherhood, Assassin's Creed – Revelations und diverse Erweiterungen erschienen sind.
Assassin's Creed 3 sieht sich also als wahren Nachfolger, degradiert schon im Vorfeld die jüngsten Ausflüge mit Hauptdarsteller Ezio zu Randnotizen. Ich bin gespannt, ob das Spiel die so geschürten Erwartungen erfüllt. Interessant wirkt die Geschichte um den neuen Helden Connor definitiv, neben dem ich auf dem Foto posiere.
• 2.3.2012 – Veteranentag in Frankreich
Der Frühlingstag in Lyon trifft mich unvermittelt. Nach minus 20 Grad, wochenlangem Nebel und anderen unangenehmen deutschen Wintergeschenken wirkt das französische Lyon wie von einem anderen Stern. Genauso wie das Spiel, das ich mir dort im Bauch der Arkane Studios ansehe. Es heißt Dishonored und wächst auf dem geistigen Vermächtnis der Kultentwickler Looking Glass.
Die Gesichter hinter dem Schleichabenteuer in einer auf Steampunk getrimmten Variante von London sind in der Spielszene wahre Legenden. Aus Austin in Texas angereist ist etwa der Co-Kreativchef Harvey Smith, der schon mit Warren Spector an Deus Ex gearbeitet hat. Ich unterhalte mich mit ihm lange über die Philosophie seines kommenden Werks. „Wenn du dir unsere Spiele anschaust, sieht du schnell, wo unsere Leidenschaft herkommt“, verrät mir Smith auf die Frage, ob Dishonored vielleicht sogar eine Art Nachfolger für Deus Ex darstellt.
Interessant auch den mittlerweile leicht ergraute Grafikkünstler Viktor Antonov zu treffen, der dem Spiel wie schon seinerzeit bei Half-Life 2 seinen visuellen Stempel aufdrückt. Auf dem Foto seht ihr meinen spieletipps-Kollegen David Dieckmann, den künstlerischen Leiter Sebastien Mitton, Viktor Antonov und mich auf der Dachterrasse des Entwicklerstudios.
• 1.3.2012 – Neulich im Fernsehen
Das schau her! "Deutschlands führender Nachrichtensender" N24 zeigt und verliest in seinen Fernseh-Nachrichten meine subversiven Twitter-Botschaften. Darauf haben mich einige Leser aufmerksam gemacht, vielen Dank für den Hinweis. Es ist lustig zu sehen, wo die eigenen literarischen Ergüsse manchmal landen.
Ich sollte vielleicht mal twittern, dass sich die Bundesregierung das mit den jährlichen 200.000 Euro Ehrensold noch mal überlegt. Den aktuellen Beitrag gibt es auch online zu sehen: Hier geht es zur Mediathek von N24.
Wer meine Twitter-Meldungen aus erster Hand lesen möchte, darf mir natürlich jederzeit direkt unter http://twitter.com/JoachimHesse folgen.
• 23.2.2012 – Scheiße passiert, auch in Finnland
„Kot to dip“ steht auf Werbetafeln vor den Fresstempeln von McDonald’s. Das ist keine neue Ehrlichkeits-Offensive, sondern schlicht Finnisch (mit etwas Englisch). Der Satz bedeutet, dass es dort Hähnchenteile zum Tunken gibt. Doch das ist längst nicht alles, was ich in Helsinki gefunden habe.
Kulinarisch durfte ich zum Beispiel Braunbär und Rentier kosten, doch im Grunde bin ich wegen eines Spiels in den Norden geflogen. Trials Evolution heißt es und stammt von Red Lynx. Die Gründer des finnischen Entwicklers habe ich ebenfalls in Helsinki bereits vor Jahren im Nokia-Hauptquartier kennen gelernt. Dort haben sie damals Pathway to Glory für den glücklosen iPhone-Urahn N-Gage vorgestellt.
Mit dem Download-Spiel Trials Evolution hat Red Lynx ein heißes Eisen im Feuer. Es spielt sich hervorragend und Kreativchef Antti Ilvessuo übertreibt nicht, wenn er behauptet, dass Trials Evolution „Fortschritt in jeder Beziehung“ bedeutet. Der Vorgänger zählt mit etwa zwei Millionen verkauften Exemplaren zu den erfolgreichsten Spielen für Xbox Live, der Nachfolger könnte diese Zahl noch übertreffen. Allein schon, weil er auch für weitere Plattformen erscheinen soll. Verdient hätte er es aus meiner Sicht.
• 9.2.2012 – Hat jemand den Klempner gerufen?
Heute hatte ich einen Gast in der Redaktion. Nintendo hat Maskottchen Mario vorbeigeschickt, damit wir zusammen eine sogenannte Social-Media-Kamagne vorbereiten. In der Praxis heißt das: Ich erzähle dummes Zeug und Mario macht eine gute Figur dazu.
Mario, beziehungsweise der Mensch unter seinem Kostüm, darf übrigens nicht größer als 1,60 Meter sein. Deshalb steckt darunter meist eine Frau. Ihr heterosexuellen Männer da draußen braucht euch also eurer Gefühle für das Pummelchen nicht schämen.
Doch auch sonst unterliegt Mario strengen Konventionen. Er darf nicht sprechen, nicht mit anderen Markenprodukten posieren und auch keine Gewalt ausüben. Dabei wollte ich mich doch so gerne in den Hintern treten lassen. Aber gut, dann warte ich eben bis Duke Nukem vorbeikommt.
• 6.2.2012 – Heute ein König
„Jetzt ist er größenwahnsinnig geworden, der Onkel Jo“, könnte man meinen. Tatsache ist, dass ich mir in Köln den ganzen Tag die Füße wund gelaufen habe. Köln, die Karnevalshochburg. „Wenn du ein Königskostüm bekommst, dann hier“, hieß es im Vorfeld.
Von wegen! Ich durfte feststellen, dass die Karnevalstypen in der Realität offenbar doch gar nicht so unförmig und fett sein können wie im Fernsehen. Oder wenigstens nicht so groß mit einem Riesenkopf. Auf der Suche nach einem edlen Gewand musste ich jedenfalls nur mit notdürftiger Beute von dannen ziehen.
Aber ich gebe noch nicht auf. Jetzt lasse ich meine Kontakte zur Live-Rollenspiel-Szene spielen. Das wäre doch gelacht, wenn meine neue, noch geheime Video-Idee an solchen Lappalien scheitert. Und immerhin bin ich auch in den Genuss gekommen, am Kölner Hauptbahnhof den unheimlichen Gepäckautomat auszuprobieren. Der fährt eingeschlossenes Gepäck unsichtbar für Besitzer und sonstige Besucher durch die Katakomben des Bahnhofsgebäudes. Doch es kam unversehrt wieder zu mir zurück. Leben 2.0.
• 11.1.2012 – Nichts für Saubermänner
„Hahaha, du bist wahrscheinlich der einzige Mensch auf der Welt, der diese Verbindung erkannt hat“, entgegnet mir Spiel-Direktor Tore Blystad amüsiert. Wir hocken in einem Hotelzimmer in London vor einer Badewanne, in der Quietsche-Enten mit Hitman-Logo treiben.
Vor Jahren hatte mir ein Hitman-Entwickler bei einem Bier in Kopenhagen verraten, dass sie im zweiten Teil ihres Auftragsmörderspiels einen Bus voll Nonnen verunglücken lassen wollten. Am Ende erschien das dem Geldgeber aber doch zu derbe. Im kommenden fünften Teil, Hitman Absolution, scheint es solch vornehme Zurückhaltung nicht mehr zu geben.
In dem Spielabschnitt von Hitman Absolution, den ich in London begutachten darf, stirbt gleich in der ersten Szene eine Nonne einen gewaltsamen Tod in Nahaufnahme. Blystad verspricht mir einen persönlichen Aha-Effekt für das fertige Spiel. Klingt interessant. Das neue Schleich-Abenteuer wirkt in der Tat aufwändig und vielschichtig angelegt. Bleibt natürlich abzuwarten, was die Jugendschützer dazu sagen.
• 3.1.2012 – Fan-Post zum Jahreswechsel
Da ist es, das Jahr, an dem die Welt untergehen soll. Wieder einmal. Bevor das passiert, habe ich noch einmal die Skandale, Aufreger und Negativtrends der Spielebranche 2011 vor meinem geistigen Auge Revue passieren lassen und darüber geschrieben (hier geht es zu meiner Kolumne "Flops 2011").
Danke für die über 1.100 Klicks auf die „Gefällt mir“-Schaltfläche, die der Artikel schon bekommen hat. Überhaupt an dieser Stelle ein dickes DANKE an alle! Denn auch dieses Jahr haben mich neben E-Mails und Postings wieder ein paar analoge Weihnachts- und Neujahrswünsche auf Postkarten erreicht. Darüber freue ich mich immer.
Den Vogel abgeschossen hat allerdings Leser Johannes Dettmer aus Sonthofen im Allgäu. Heute fand ich in der Post eine Tasse von Johannes. Darauf prangt ein Foto aus einem Video von mir. Endlich eine Tasse, die mir niemand klaut.